elffriede: seismograph, ein aufzeichnen-system. butterbrot. edition ch, Wien 2007.
Facetten von Wirklichkeit, Nuancen, Schemen, Linien, Gravur: Das vorliegende Buch ist ebenso sinnlich wie feinsinnig. Es ist zwischen den Welten angesiedelt, zwischen Hier und Dort, zwischen dem Aussprechbaren und dem zu Verschweigenden.
Elffriedes Skizzen, Zeichnungen und Texte kommen auf leisen Sohlen daher, auf Samtpfoten. Es sind Zeichen der Stille, der Suche, es sind Tiefgänge, Wahrnehmungsverdeutlichungen. Sie verkörpern Kontemplation, aber auch das Lächeln darüber.
Das Buch erinnert an dada, an Schwitters, an diverse Vorläufer eines spielerischen Zugangs zur Sprache.
Es macht Lust auf Bücher, auf Lesen, aber auch auf Schreiben, weil es den oft so verkopften Zugang zur Literatur subtil unterminiert.
Ich habe die Lektüre genossen, mir häppchenweise zu Gemüte geführt. Ich werde das Buch wohl immer wieder hervorholen, um mich neu und anders darauf einzulassen.
Reviewed by Petra Ganglbauer, 4. Dezember 2007
"für huflattich, spitzwegerich, liebstöckl und ingwer." - das cover: elffriede neben einem gestrichenen butterbrot, darunter 'seismograph'. dieser misst (hier) nicht (nur) die bodenerschütterungen, sondern ist ein ganzes 'aufzeichnen-system', eine möglichkeit, die welt zu betrachten, 'through the looking glas', gewissermaßen.
zeichnungen und texte, texte und zeichnungen versammeln sich also, sammeln sich, zerstreuen sich, erfreuen sich, erfreuen uns, die wir in diesem, im mai 2007 ganz druckfrischen buch von elffriede lesen, schauen, blättern. das lesen und schauen führt zum denken, zu einer art des denkens, wo die worte und wörter, die linien und punkte unsere gedanken für eine kleine weile dorthin ziehen, wo sie noch keine worte sind, aber, ja: wie schön, die grünen blumen auf dem braunen feld! locker springen die texte und bilder von der beobachtung und beschreibung zur erfindung von wirklichkeit(en), sie entnehmen dem alltag kleine proben, betätigen sich als wunschmaschine, als teleskop, als kaleidoskop, und: sie verweigern sich fröhlich der (zu)ordnung.
ja, dieses buch sei heiß empfohlen: es ist lustig, es ist traurig, man kann es überallhin mitnehmen und es wirkt."
ilse kilic c/o das fröhliche wohnzimmer, wien für die zeitschrift AUF, wien
Der Mensch, als träge Masse, zeichnet auf
Man muß Bretzelbergpop mit anderen Ohren hören, soviel verstand ich sofort, als ich Mitte der 80er Jahre die ersten Kassetten der Welttraumforscher in meinem Tapedeck abspielte – das war Pop von einem anderen Stern, der wie in einer heimlichen Zusatzdimension auf unserer alten Erde versteckt war, es war gelebte Poesie, wo Musik, Zeichnung, Text und Verhalten zu einem Ganzen fanden und dieses Ganze parallel zum Üblichen existierte, es schien mir viel normaler als das Normale und viel mehr da, als das, was sonst da war. Dasselbe Gefühl stellte sich ein, als ich die elffriede-Welten kennenlernte – hier gab es eine Welt genau in unserer Welt, die nur dazu da war, das zu sein, was sie war – nichts darüber hinaus und aber auch nicht weniger.
Es nutzt nichts sie mit Erklärungen erkunden zu wollen. Wenn man sie analysiert, zerstört man sie. Wenn man sie mit unserer Welt in Verbindung bringen will, verliert sie. Man muß sich mit ihr einlassen oder ihr fernbleiben.
Viele Rezensenten versuchen ihr beizukommen und zu einer Aussage über sie zu kommen, die in etwa gültig ist. Das ist wie einsperren, Ton abdrehen, Licht abdunkeln, die poetische Essenz wird unscharf, unvollständig. Ilse Kilic vom Fröhlichen Wohnzimmer hat das in ihrer Besprechung im AUF am besten ausgedrückt: „das lesen und schauen führt zum denken, zu einer art des denkens, wo die worte und wörter, die linien und punkte unsere gedanken für eine kleine weile dorthin ziehen, wo sie noch keine worte sind“ – die Dinge geschehen lassen, könnte man diese Grundhaltung nennen, die als einzige den elffriede-Welten gerecht wird.
Auch elffriede händelt es so, lässt geschehen und geschieht dabei selbst. Das ist, was einem Seismographen wirklich ähnelt, wobei die träge Masse, die zum Anzeiger der Erschütterungen wird, das Menschenkind elffriede ist.
Sie stammt aus Ten van Hofft in den Niederlanden und lebt heute in Wien, ist in Österreich in der Kunst- und in der Literaturszene längst keine Unbekannte mehr. Als Live-Zeichnerin versieht sie Wände mit „Aufzeichnungen“, diese aus wenigen Strichen auftauchende Welt, die der normalen aufgezeichnet ist als eine zusätzlich mögliche, eine weitere Dimension. Ihre website gehört zu den echten Erlebnisplätzen im www. Das Büchlein „seismograph - ein aufzeichnen-system“ erschien bereits 2007 und vereint s/w Zeichnungen mit Notizen, getippt auf einer Olympia Traveller de Luxe. Das können Gedichte sein, lange Hinweise und Zitate oder poetische Miniaturen. Alles korrespondiert sichtlich mit den Zeichnungen, entwickelt sich zu kleinen Erzählungen, wobei nicht klar ist, wer wen verführt: der Text das Bild oder das Bild den Text, sie gehören zusammen (weswegen es auch keinen Sinn macht einzelne Textzeilen oder Beispiel-Gedichte hier zu zitieren). Jedenfalls aber ist es elffriede-Welt und für dort gibt es kein Maß, außer dem ihren.
Erschienen ist das Buch in der edition ch von Günter Vallaster in Wien, deren Verlagserzeugnisse einen genauen Blick wert sind: Ilse & Fritz vom Wohnzimmer haben einige Bücher gemacht, von Petra Ganglbauer sind Gedichte erschienen, Franzobel hat einmal eine Anthologie zu gegenwärtiger visueller Poesie herausgebracht und in ähnlicher Thematik ist auch Günter Vallaster selbst mit weiteren Herausgaben unterwegs. Man sollte ein Auge auf diesen Verlag haben.
Frank Milautzki, fixpoetry.com
"seismograph" (...) reagiert lapidar auf meist wenig erschütternde Dinge, die man trotzdem oft rein gar nicht versteht. Aber man staunt bei jedem Umblättern und kommt gleich zu spät zur Arbeit.
ith (judith von sternburg), d-frankfurter rundschau 07/07
"zwischenberichte aus den elffriede-welten:
Das System elffriede muss man sich als Perpetuum mobile vorstellen. Scheinbar ohne Pause produziert die Zeichnerin aus Wien Striche, Bilder, Fanzines und Bücher. Immer wieder auf ein Neues bemisst sie damit die Relativbewegungen unseres Alltags im Verhältnis zu ihrem eigenen Erleben. Auf den schwarz-weiß bedruckten Seiten ihres neuesten Buches "Seismograph" lässt sich beobachten, wie die träge Masse ihrer sogenannten Wechselwesen, die oft wie riesige aufs Papier gesetzte Erdhaufen wirken, die Welt um sich herum in Schwingungen versetzt.
In Wechselwirkung dazu generieren die von elffriedes Schreibmaschine wie zufällig getippten Texte - kleine Beobachtungen, Tagebuchgedichte oder einfach Nonsens ("zwei tatsachen: / 4 kilo kartoffeln / 1 liter milch") - Irritation und Bedeutung. Wie die Wechselwesen selbst, die sich dabei beobachten, wie ihre Gliedmaßen sich zu eigenem Leben verselbstständigen, sich in Aufhäufungen zusammenrotten oder plötzlich unwahrscheinlich grazil durch schwarz-weiß übereinandergetürmte Landschaften balancieren, so verdreht sich in diesem Buch konstant der Sinn, dass einem vor Freude und verständnisloser Einsicht ganz schwindelig wird.
Im "Seismograph" sind sie festgehalten und neu erlebbar: die Momente zwischen verschrobenem Zeichenschwung, Gedankenstrom und Alltagspoesie. elffriede selbst funktioniert genauso wie das "Aufzeichnen-System", das sie in diesem Band einmal mehr vorlegt: sensibel, widersinnig und so komisch wie tiefgründig."
wolf/www.aponaut.org /zeitung für kulturelle entwicklung, duisburg 11.9.2007
elffriede.aufzeichnensysteme / 2007