THE CAST^LE
Sonntag, 16. Juni 2019, 23:03 - 0:03, Ö1
Radiokunst - Kunstradio 92,00 khz
wenn wir nicht mehr unter uns sind, wer sind wir dann – und wer ist "wir " ...?
Konzept / Produktion / Schnitt – eine Gemeinschaftsarbeit von:
Konrad Behr, Janine Müller, .aufzeichnensysteme
unter Verwendung der künstlerischen
Arbeiten, Texte, Statements
von Martin Breindl, Peter Assmann, Konrad Behr, Sabine Maier,
Michael Mastrototaro, Janine Müller, Jörg Piringer, Dieter Sperl,
Günter Vallaste, .aufzeichnensysteme
wurde THE CAST^LE - der Arbeitsprozess akustisch inszeniert
und zu einem Hörstück verschachtelt
Fotos: Konrad Behr
… der Verweis auf den schützenswerten Raum der Kunstproduktion … ein Zeit-Raum-Gefüge, ein Zeitraum…
mediale und inhaltliche Überschneidungen parallel zu einzelnen Denk- und Arbeitsprozessen …
.aufzeichnensysteme (Autorenschaft und Konzept seit 2002) erklärt "andere" zu Aufzeichnensystemen und
setzt sie zueinander in Beziehung, setzt ein Bezugssystem, das somit künstlerisch in Kraft tritt als Prozess,
Ausstellung, Setting, Lesung, Hörstück. Alles weitere entzieht sich einer Kontrolle.
Die im Einzelnen bereits substantiellen künstlerischen Positionen erfahren eine Potenzierung
und Verschachtelung im Schloss, THE CAST^LE, Synonym für die Schachtel oder den Kopf,
ganz wie gewünscht, eine mediale Reflektion, eine Selbstinternierung.
Techniken kristallisieren sich heraus, Struktur und Strategien,
die eigene Arbeit im Ganzen zu integrieren, ein Ganzes zu werden:
Während Peter Assmann durch ein Bett geschleust, seine Chemie sprechen lässt, verschanzt sich
Sabine Maier in der Dunkelkammer mit geheimnisvollen Chemikalien, projiziert Texte, entpackt und
bearbeitet Dieter Sperl eine Schachtel mit Briefen an ihn, welche er nicht mehr erinnert, versteigt
sich Michael Mastrototaro auf Worte und Zeichnungen, lässt Intellekt und Kindlichkeit, eigentlich
eine kindliche Intelligenz zu Wort kommen, sprengt Jörg Piringer die Runde durch angebrachte
Zweifel und Stempelbuchstaben, notiert Günter Vallaster im selbstgebauten Hamsterra
im Akkord Denkzettel, breitet .aufzeichnensysteme sich flächendeckend im Raum aus...
Martin Breindl als Gastgeber schliesst das Schloss auf und zu, ist also Schlüsselfigur.
Konrad Behr und Janine Müller bauen ein provisorisches Tonstudio im Fluss-Archiv der Marek-Räume.
Jede/r Teilnehmer*in durchläuft 3 Frage- und Reflektionsmodule, die später im Hörstück ineinandergreifen,
neue Inhalte generieren im freien Spiel nach strengen Regeln. Sterile, unbedeutende Tische, die bislang
nur ihren Dienst versahen, wandeln sich qua Konzept zu Tableaus künstlerischer Identitäten, Tableaus eines
ephemeren Prozesses, der zeitlich gerahmt die künstlerische Arbeit als Kunstwerk fokussiert. Statt Freiheit
von Ergebnisdruck korrumpieren anstehende Lesung und Hörstück ein Dahinfliessen.
Akustische "Störungen" aus der Musikschule im Schloss werden als willkommenes Found Footage vereinnahmt,
verschachtelt, ineinander: der Arbeitsprozess im Hörstück, das Hörstück ein Arbeitsprozess, die Tableaus
derweil eingefroren, verlassen in einem Zustand, den man sonst auch Ausstellung nennt: Starre.
(.aufzeichnensysteme 11.6.2019)
Foto-Dokumentation (in Forts. siehe unten)
THE CAST^LE liegt einem dynamischen Konzept zugrunde, das .aufzeichnensysteme seit 2013 über
verschiedene Veranstaltungen hinweg entwickelte und in variierenden Besetzungen gemeinsam
mit diesen realisiert, aufführt, sendet
... zuletzt:
THE CAST^LE - der künstlerische Arbeits- und Denkprozess als Kunstwerk*
Ein Projekt von .aufzeichnensysteme
in Zusammenarbeit mit FLUSS, der Grazer Autorinnen Autorenversammlung, Ö1 Kunstradio
und den Künstler*innen Martin Breindl, Peter Assmann, Konrad Behr, Sabine Maier,
Michael Mastrototaro, Janine Müller, Jörg Piringer, Dieter Sperl,
Günter Vallaste, .aufzeichnensysteme
6.6. - 8.6.2019 Arbeitsprozess (öffentlich zugänglich)
8.6.2019 Ausstellungseröffnung mit einer Art Lesung
9.6. - 23.6.2019 Ausstellung Schloss Wolkersdorf, Galerie Marek Räume
Samstag, Sonntag und Feiertag 14-18 Uhr
16.6.2019 23:03 Uhr Ö1 Kunstradio Sendung
Statt findet ein Arbeitsprozess, der sich in den Marek Räumen zwischen 9 Künstler*innen 3 Tage lang,
gleich einem hermetischen Bühnenstück abspielt, auf verschiedenen medialen Ebenen ab- und aufzeichnet,
in einer Art Lesung gipfelt und schließlich als Kunstradiosendung hörbar wird. Das Konzept thematisier
An- und Abwesenheiten, raum-zeitliche Überschreitungen konventionalisierter Abläufe und medialer Grenzen.
"Die Künstler*innen, als Systeme des (Auf-)Zeichnens "in Arbeit gesetzt", erhalten Arbeitstische,
die sich als Tableaus ihrer Präsenz drei Tage lang wandeln, um – beendet von einer Art Lesung –
schließlich als visuelle (Ausstellung) und akustische Zeitfenster (Hörstück) festzustehen.
(.aufzeichnensysteme)
"der ort (the castle) wird in einen prozess gegossen (cast). er wird besetzt. Die besetzung (the cast)
sind künstler*innen, die eine setzung (set) vornehmen. Der ort wird so zur bühne (set),
in den etwas hineingeworfen (cast) wird." (Martin Breindl)
LINKS
FLUSS - Initiative für Foto- und Medienkunst
GAV - Grazer Autorinnen Autorenversammlung
.aufzeichnensysteme
Personen / Figuren:
Konrad Behr (D)
geb. 1974, lebt in Weimar (D); freie Radioarbeit, LiteraturRadio / Hörspiel, Mediengestalter, Fotograf,
künstlerische Kooperationen, aktiv im experimentellen Radiosender "bauhaus.fm" und im Studio für
elektroakustische Musik SEAM an der Bauhaus-Universität Weimar.
Sabine Maier (A)
geboren 1971, Foto- & Medienkünstlerin, Hörstücke. Staatstipendium für Medienkunst – BMUKK,
Auslandsstipendium des Landes Steiermark. Vertreten von der Galerie Andrea Jünger in Wien,
Galerie 3 in Klagenfurt, Canon Cinema / San Francisco, zahlreiche Stipendien, Preise
und Auszeichnungen. Gründungsmitglied des Künstlerduos Machfeld.
Michael Mastrototaro (A)
geboren 1970 in Graz, lebt und arbeitet in Wien. Spartenübergreifende künstlerische Projekte
im Spannungsfeld von: Photographie, Literatur, Netzkunst, Kurz- und Experimentalfilme,
Streaming-Projekte, interaktive Installationen, Radio-Kunst, On- und Offline Performances
sowie Kunst im öffentlichen Raum seit 1999. Gründungsmitglied des Künstlerduos Machfeld.
Janine Müller (D)
geboren 1987 in Rostock, lebt und arbeitet in Weimar. Medienkunst und Mediengestaltung
Bauhaus Universität Weimar. Beschallung, radiophone und performative Arbeiten.
Erfand 2015 die mobile Aufzeichnungsstation, arbeitet an ihrer Masterarbeit.
Dieter Sperl (A)
geboren 1966 in Wolfsberg. Lebt in Wien. Studium der Germanistik und Philosophie an der
Karl-Franzens-Universität Graz. Herausgebertätigkeit, Hörstücke, Textinstallationen, Photoarbeiten,
Lehrtätigkeit, Performances, ZEN. Bücher u.a. Random Walker, Filmtagebuch (2005), Absichtslos (2007),
Von hier aus, Diary Samples (2012) und HAVE A NICE TRIP (2016). Der stehende Fluss (Ritter / Herbst 2019)
Hörstücke für den Rundfunk, zuletzt: Wer bist du? (2015), Aus meinen Leben (2018) und Erste Erinnerungen (2019).
Herausgeber des Literaturfolders flugschrift:
Jörg Piringer (A)
geb. 1974 lebt in Wien. gründungsmitglied des instituts für transakustische forschung. gründungsmitglied
des gemüseorchesters. studium der informatik. arbeitet als freier schriftsteller, künstler und musiker
in den bereichen elektronische musik, radiokunst, lautpoesie, visuelle poesie, interaktive kollaborative
systeme, online communities, performance, klanginstallation, computerspiele, videokunst und poetische software.
Günter Vallaster (A)
geb. 1968 in Schruns, lebt in Wien. Autor und seit 2004 Herausgeber der edition ch. Herausgeber
der Anthologie "räume für notizen | rooms for notes. visuelle, digitale und transmediale poesie".
Zahlreiche spartenübergreifende Projekte und Publikationen.
Peter Assmann (A)
geboren 1963, Studium der Kunstgeschichte (Doktorat) sowie der Geschichte und Germanistik (Lehramt),
arbeitet als Kunsthistoriker, Schriftsteller (Verlag Bibliothek der Provinz bzw. arovell) und bildender Künstler,
em. Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen, Präsident der Sommerakademie Traunkirchen,
Gründungsmitglied der Künstlergruppen "c/o: K – Institut für Kunstinitiativen" und "Sinnenbrand".
Direktor des Museums des Palazzo Ducale in Mantua.
.aufzeichnensysteme (A / D)
Konzept von Hanne Römer, geb. 1967, Schildermalerin, MA Medienwissenschaften / Druckgrafik / Kunstgeschicht
in Marburg/L.; initiiert seit 2000 in Wien als Künstlerin und Autorin medienexperimentelle Projekte an der Schnittstelle
literarischer, visueller, audiophoner und szenischer Kunst, kurz: (bis 2015 elffriede).aufzeichnensysteme vertreten
von ORTNER 2 / Wien. Heimrad-Bäcker-Förderpreis 2018; GRATE (erscheint im RITTER Verlag /Herbst 2019).
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Fotos: Konrad Behr 2019 unten: .aufzeichnensysteme 2019
Forts. / Dokumentation folgt....
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*FUSSNOTE
als hochleistungskünstlerin kann ich mich lebhaft an einem grashalm erfreuen
Kleines ungekürztes Vorwort aus gegebenen Anlässen.
Unterbezahlte Spitzenleistungen sind wohl vor allem in der Kunst möglich.
Wer würde sich sonst 3 Tage lang in einen monatelang vorausgeplanten
Selbstreflektionsprozess begeben, eine Raum- und Lesungschoreographie
mit live-Aufführung, eine Ausstellung und ein Hörstück konzipieren und
realisieren nicht mittels sondern trotz eines radikal von Kürzung
geschmälerten Projektbudgets, das auch die beteiligten Institutionen
ebenfalls von Kürzungen betroffen, mühsam zusammenlukratieren
um wenigstens Kosten zu decken, von Verdienst nicht zu sprechen -
und das alles nicht zum ersten mal? Nur, weil die Bedingungen bekannt
sind, muss es nicht sein, darf es nicht sein, daß sie vornehm unter den
Tisch gekehrt werden. Dazu sind die Beteiligten zu stark und beharrlich
um Qualität bemüht, obwohl die ökonomischen Bedingungen deutlich
ätzender als je zuvor diese zunichte zu machen drohen, weil seit Jahren
vollberuflich als Künstler*innen Tätige zwischen immer aufwändigeren
Projektanträgen, Projektplanungen, Kommunikationen, Koordinationen,
Dokumentationen nurmehr auf dem Zahnfleisch kriechend Visionen kreieren,
die sich die betreffende Gesellschaft wie gewohnt auf die Fahnen heften kann?
Sind wir Querulant*innen? Nö. Kunst soll und darf weiterhin kostenlos
konsumiert werden. Aber nicht auf der Grundlage von Schröpfung ihrer
noch lebenden Produzent*innen. Apropos lebendig. Warum nicht den
künstlerischen Arbeitsprozeß selbst zur Kunst erklären und in Szene
setzen, modellhaft für alle arbeitenden Künstler*innen der Gegenwart
Warum nicht der Kürzung den Prozess machen - mit ihr kurzen Prozess machen,
Hof halten auf einem Schloß, dem Feudalherrschaftssystem die Räume
abknapsen für die Kunst? Warum nicht in die Vollen gehen und trotzdem
all das machen, was doch nicht finanziert werden kann: eine Kooperation
und Choreographie, ein Hörstück und ein 3-tägiger Arbeitsprozeß, eine Art
Lesung und eine Art Ausstellung? Intermedial, fulminant und doch ganz im
Rahmen des eigenen Anspruchs, keine teure und doch eigentlich oft billige
oder elitäre Kunstshow oder als Kultur verkleidete Spaßkunst als gastronomisches
Vehikel aufzuführen, sondern Räume für Intellekt und Intuition zu öffnen, auf der Suche
nach etwas substantiell spürbarem, es zum Ausdruck zu bringen und zu transportieren:
Fülle trotz Hülle wird nur weiterhin funktionieren, wenn es Zusammenarbeitenden gelingt,
unermüdlich weiterhin ihre Ansprüche geltend, statt immer mehr „umsonst“ zu machen
und sich, fern von Zerspragelungen, weiterhin auf das Wesentliche zu konzentrieren:
auf die Kunst künstlerisch präsent zu bleiben, trotz widriger Umstände, eine Art
Unerschütterlichkeit möchte man meinen.
(gezeichnet: .aufzeichnensysteme, 11.6.2019)